StartRatgeberInstructional Design Teil 3: Storytelling im E-Learning

Instructional Design Teil 3: Storytelling im E-Learning

Wir Menschen sind narrative Wesen. Unser Gehirn ist darauf programmiert, Informationen in Form von Geschichten besser zu verarbeiten und zu speichern. Storytelling spricht diese natürliche Neigung an. Im E-Learning hat sich Storytelling als eine Schlüsseltechnik etabliert, um komplexe Inhalte greifbar und spannend zu gestalten. Die gute Nachricht: Storytelling lässt sich lernen. In diesem Artikel (Teil 3 der Serie zu Instructional Design) beschreiben wir sieben Strategien, wie Storytelling im E-Learning erfolgreich umgesetzt werden kann.

Wie funktioniert Storytelling?

Storytelling – das Erzählen von Geschichten – ist eine der ältesten und natürlichsten Kommunikationsformen des Menschen. Tief verwurzelt in der menschlichen Natur spielen Geschichten eine zentrale Rolle in der Art und Weise, wie wir lernen, verstehen und die Welt um uns herum verarbeiten. Unser Gehirn ist so verdrahtet, dass es narrative Strukturen vorzieht und sie besser verarbeitet als isolierte Fakten. Geschichten wecken Emotionen und fördern das empathische Verstehen, indem sie Informationen in Kontexte einbetten, die für den Menschen bedeutungsvoll und nachvollziehbar sind.

Warum ist Storytelling im E-Learning so effektiv?

Motivation und Struktur als Lernhilfen

Im E-Learning ist Storytelling ideal, um trockene oder komplexe Inhalte lebendig und interessant zu gestalten. Durch die Einbindung von Geschichten und Personen in Lernmaterialien wird der Stoff nicht nur anschaulicher, sondern auch motivierender und einprägsamer.

Effektives Storytelling im E-Learning bettet Lerninhalte außerdem in eine Struktur ein, die dem Lernenden intuitiv vertraut ist. Dies fördert nicht nur das Verständnis, sondern auch die Erinnerung an das Gelernte.

Emotionalität vor Logik

Fakten sind wichtig, aber Emotionen treiben die Handlung voran. Geschichten wecken Emotionen, und Emotionen sind wiederum Motoren für Motivation und Engagement.

Im E-Learning führt der Einsatz von emotional ansprechenden Erzählungen dazu, dass Lernende sowohl intellektuell als auch emotional involviert sind. Genau das intensiviert das Lernen und fördert eine Verhaltensänderung. Menschen lernen und erinnern sich besser, wenn sie emotional aktiviert werden. Mit Geschichten können Lernende somit leichter eine Bindung zum Lehrstoff aufbauen.

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Sieben effektive Strategien: So gelingt Storytelling im E-
Learning

1. Charaktere als personalisierte Avatare

Im Storytelling sind Charaktere zentral, und im E-Learning werden sie oft als Avatare eingesetzt. Avatare helfen, Lerninhalte zu personalisieren und die emotionale Verbindung zum Kursinhalt zu stärken. Dabei können sie realitätsnahe Situationen aus dem Berufsalltag simulieren, Lernende in Problemlösungen einbeziehen und somit die Transferleistung in die Praxis erleichtern. Avatare im E-Learning können verschiedene Rollen übernehmen. Sie können als direkte Repräsentationen der Lernenden innerhalb der Lernumgebung fungieren, was den Lernenden ermöglicht, sich als Teil der Geschichte zu fühlen. Alternativ können sie auch als mentorenähnliche Figuren gestaltet sein, die durch das Kursmaterial führen, Feedback geben und komplexe Konzepte erläutern.

Personalisierung und Zielgruppe

Jede Story sollte auf die spezifische Zielgruppe zugeschnitten sein. Vorkenntnisse, berufliche Hintergründe und Lernpräferenzen ermöglichen eine maßgeschneiderte Gestaltung des Lernmaterials, das die Lernenden abholt. Avatare, die auf die demografischen Merkmale und Vorlieben der Zielgruppe zugeschnitten sind, schaffen eine stärkere Identifikation und eine tiefere Lernbindung.

Beispiele für gute Avatare

Ein gut gestalteter Avatar sollte nicht nur Lern-Coach sein, sondern auch Schwächen zeigen können, die Lernende aus ihren eigenen Erfahrungen kennen. Dies erhöht die Glaubwürdigkeit und das Einfühlungsvermögen.

Beispiel 1:

Ein Avatar könnte als erfahrener Projektmanager konzipiert sein, der durch eine Serie von Szenarien führt, die typische Projektrisiken und Fehlerquellen aufzeigen.

Beispiel 2:

Ein anderer Ansatz wäre, direkt zwei Avatare einzusetzen, die die Lernenden gemeinsam durch das Programm führen. Bei einem E-Learning-Modul zum Thema Arbeitssicherheit könnte ein Avatar korrekte Sicherheitspraktiken vertreten, während der andere eine lässigere Einstellung hat. Diese Gegenüberstellung fördert nicht nur das Engagement durch humorvolle Interaktionen, sondern illustriert auch die Konsequenzen von Nachlässigkeit auf anschauliche Weise.

2. Der Lernende als Held

Indem Lernende in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt werden, werden sie zu aktiven Teilnehmern ihrer eigenen Lernreise. Der Lernprozess verwandelt sich in eine persönliche Heldengeschichte, in der sie durch aktive Teilnahme und Entscheidungsfindung die Weichen für den Ausgang legen. Diese Strategie stärkt das Engagement und die Selbstwirksamkeit.

Aktive und maßgeschneiderte Lernerfahrung

Die Lernenden schlüpfen in eine aktive Rolle, treffen Entscheidungen und lösen Aufgaben, die den Verlauf der Geschichte direkt beeinflussen. Oft geschieht dies in einem simulierten beruflichen Kontext wie dem eines Managers unter Druck. All das stärkt Problemlösungsvermögen und Selbstvertrauen. Durch ein maßgeschneidertes Lernerlebnis fühlen sich die Teilnehmer direkt angesprochen und erkennen den unmittelbaren Nutzen des Trainings in ihrem beruflichen Alltag.

Beispiel eines Szenarios

Stellen Sie sich ein E-Learning Modul vor, in dem der Lernende die Rolle eines IT- Projektmanagers übernimmt, der ein kritisch verzögertes Projekt wieder auf Kurs bringen muss. Der Lernende muss mit verschiedenen Stakeholdern interagieren, Konflikte lösen und strategische Entscheidungen treffen, um das Projekt erfolgreich abzuschließen. Jede Entscheidung beeinflusst den Erfolg des Projekts und bietet wertvolle Lernmomente.

3. 3-Akt-Struktur und Spannungsbogen

In einem Lernvideo ist eine klare Struktur und Rahmenhandlung mit einem Spannungsbogen nützlich, um Lernende zu fesseln und aktiv zu halten. Die in fiktiven Erzählungen häufig genutzte 3-Akt-Struktur lässt sich auch im E-Learning gut einsetzen. Hier eine kurze Erklärung, wie man sie anwenden kann:

Um eine effektive Geschichte im E-Learning zu erzählen, sollte zuerst der Kontext etabliert werden. Dies kann die Einführung eines Problems, einer Situation oder eines Lernziels sein. Die Handlung kann z. B. mit einer interessanten Frage oder einer provokanten These
beginnen, die Neugier weckt.

Der nächste Schritt ist die Identifizierung des Konflikts oder der Herausforderung, auf die die Geschichte abzielt. Dieser Teil sollte interaktive Elemente, praktische Beispiele oder Fallstudien enthalten, um die Theorie in die Praxis umzusetzen. Dies schafft Spannung und
Interesse beim Lernenden.

Schließlich wird die Lösung oder der Weg zur Überwindung des Konflikts vorgestellt. Dieser Teil sollte eine Zusammenfassung des Gelernten bieten und die wichtigsten Punkte rekapitulieren. Es ist auch hilfreich, eine Art Reflexion oder Diskussion zu fördern, um das Verständnis zu vertiefen und den Lernprozess abzurunden.

Beispiel:
Ein E-Learning-Modul zur Zeitmanagement-Schulung könnte den Kontext des modernen Arbeitslebens einführen, den Konflikt zwischen einem überfüllten Zeitplan und der Notwendigkeit, produktiv zu sein, aufzeigen und dann verschiedene Zeitmanagement-
Techniken als Lösung präsentieren.

Die Heldenreise

Eine ausgefeiltere narrative Struktur ist die Heldenreise. Sie verwandelt den Lernprozess in eine mitreißende Entdeckungsreise, die Wissen vermittelt und Lernende persönlich und beruflich weiterbringt.

Die Heldenreise wurde ursprünglich vom amerikanischen Ethnologen Joseph Campbell formuliert. Sie skizziert eine Reihe von Phasen, die ein Held durchläuft, beginnend mit seinem Aufbruch aus der gewohnten Welt, über verschiedene Prüfungen und Herausforderungen, bis hin zur Rückkehr mit neu gewonnenen Einsichten oder Kräften.

  1. Die gewohnte Welt: Einführung des Lernenden in die bestehende Wissenslandschaft. Hier werden der Ausgangspunkt und die Normalität vor der Herausforderung dargestellt, was dem Lernenden hilft, den Kontext des Kurses zu verstehen.
  2. Der Ruf des Abenteuers: Konfrontation mit einem Kernproblem oder einer Lernaufgabe, die gelöst werden muss. Dieser Aufruf dient als motivierender Faktor und weckt das Interesse der Lernenden.
  3. Weigerung: In dieser Phase können Zweifel oder Unsicherheiten thematisiert werden, die Lernende möglicherweise gegenüber dem Lernstoff haben. Diese realistische Darstellung fördert die Identifikation mit der Lernerfahrung.
  4. Begegnung mit dem Mentor: Einführung einer unterstützenden Ressource oder eines Tutors, der den Lernenden durch den Kurs leitet. Dies kann ein Avatar oder ein virtueller Coach sein, der Tipps gibt und unterstützt.
  5. Überschreiten der ersten Schwelle: Der Lernende beginnt aktiv mit dem Lernprozess, wobei die ersten Inhalte tiefer erforscht werden. Diese Phase markiert das echte „Eintauchen” in den Lernkurs.
  6. Bewährungsproben, Verbündete, Feinde: Interaktive Herausforderungen oder Simulationen, die das Erlernte testen. Verbündete können Mitlernende in Gruppenprojekten sein, während „Feinde” die Hindernisse oder Schwierigkeiten darstellen, die überwunden werden müssen.
  7. Die entscheidende Prüfung: Der Höhepunkt des Lernprozesses, oft in Form einer komplexen Aufgabe oder Prüfung, die das gesamte bisher erlernte Wissen, Können und Tun abverlangt.
  8. Die Belohnung: Nach erfolgreichem Abschluss der Prüfungen erhalten die Lernenden eine Form von Anerkennung, sei es ein Zertifikat, eine Bewertung oder einfach das Bewusstsein, eine bestimmte Fähigkeit erfolgreich gemeistert zu haben.
  9. Der Rückweg: Anwendung des Gelernten in einem realen oder simulierten Umfeld, was den Transfer des Wissens in die Praxis fördert.
  10. Die Veränderung: Der Lernende kehrt mit neuen Fähigkeiten oder verändertem Wissen zurück, bereit, seine beruflichen oder persönlichen Situationen effektiver zu meistern.

4. Multimediale Inhaltsaufbereitung

Der Einsatz von Multimedia im E-Learning schafft eine immersive Lernumgebung, die informativ und einprägsam ist. Texte, Bilder, Videos und Audiodateien bieten eine reichhaltige Palette an Ausdrucksmöglichkeiten, die dazu beitragen, Lerninhalte aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten:

● Texte liefern detaillierte Erklärungen und unterstützen das tiefe Verständnis
theoretischer Konzepte.
● Bilder können als Ergänzung zu Texten dienen oder komplexe Daten in einfacheren,
visuellen Formaten wie Infografiken darstellen.
● Videos sind besonders effektiv, um Prozesse zu demonstrieren, Verhaltensweisen
zu modellieren oder Geschichten zu erzählen, die eine emotionale Wirkung erzielen.
● Audiodateien bieten ergänzende Informationen, ideal für Lernende, die auditive
Lernkanäle bevorzugen.

5. Interaktion mit den Lernenden

Interaktives Storytelling bezieht den Lernenden direkt in die Geschichte ein, etwa durch Entscheidungen, die den weiteren Verlauf der Geschichte beeinflussen, oder durch interaktive Aufgaben, die zum Fortschritt beitragen.

Zu den gängigen Interaktionen gehören Quizze, Multiple-Choice-Fragen und Click-and- Reveal-Aufgaben. Sie wecken Neugier und regen zum Entdecken an. Zusätzlich bereichern (virtuelle) Dialoge, Drag-and-drop-Aufgaben und Time-based-Challenges das Lernen durch praktische Anwendung. Wird die Antwortauflösung mit Soundeffekten angereichert, verleiht das eine zusätzliche Dynamik und Interaktivität.

6. Gamification und szenariobasiertes Lernen

Spielerische Elemente wie Punktesysteme, Level und Challenges können das Storytelling dynamisieren und das Lernen zu einem Erlebnis machen. Durch Gamification wird der Lernprozess unterhaltsamer und fördert das kompetitive Element, das Lernende dazu anspornt, Leistungen zu verbessern und sich aktiv mit dem Lernstoff auseinanderzusetzen.
Szenariobasiertes Lernen ermöglicht die praktische Anwendung von Theorien in realitätsnahen Kontexten. Wie beim obigen IT Projektmanagement-Beispiel kann der Lernende musterhaft die Rolle eines Projektmanagers übernehmen, der verschiedene Herausforderungen wie Budgetbeschränkungen und Teamdynamiken bewältigen muss, um ein neues Produkt zu entwickeln.

7. Erfolgreicher Abschluss

Ein effektives E-Learning-Modul schließt mit einer klaren und positiven Zusammenfassung ab, die die wichtigsten Lernziele rekapituliert. Die Lernenden sollten mit einem Gefühl der Zufriedenheit und des Erfolgs entlassen werden. Dieser Abschluss bestärkt die neu erworbenen Fähigkeiten und motiviert, das Gelernte in der Praxis anzuwenden. Durch gezielte Reflexionsphasen wird ferner das Verständnis vertieft und die langfristige Anwendung des Gelernten gefördert.

(Autorin: Alwina Calma)

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