easy-Tutor ist eine Plattform für Online-Nachhilfe. Unser Autor Julius Berrien im Gespräch mit den Gründern Jessica Contento und Massimo Cancellara:
Wie funktioniert Easy-Tutor?
Jessica Contento: Easy-Tutor hat das Ziel, allen Lernenden den Zugang zu qualitativ hochwertiger Nachhilfe zu erleichtern. Dabei setzen wir neben unserer digitalen Plattform stark auf den Faktor Mensch. Das bedeutet: Eltern, Schülerinnen, Schüler und Studierende
haben die Möglichkeit, sich eigenständig eine:n Tutor:in auszusuchen. Fast alle Tutoren und Tutorinnen präsentieren sich auf unserer Website mit einem eigenen Vorstellungsvideo.
Zuerst wählt man den Tag, die Zeit und das Fach aus. Dann erhält man Zugang zu einer großen Auswahl an Tutor:innen, die im gewünschten Setting verfügbar sind. Buchungen erscheinen im Dashboard der Kund:innen. Zum gebuchten Zeitpunkt geht man über das
Dashboard auf den Start-Button und schon kann es losgehen. Das Ganze läuft über eine Videokonferenzsoftware.
Könnt ihr den Ablauf des Unterrichts näher beschreiben?
Massimo Cancellara: Wie Jessica schon sagte, nutzen wir eine Videokonferenzsoftware. Es gibt ein Whiteboard, das bereits integriert ist und auf dem gemeinsam gearbeitet wird. Der Unterricht ist sehr interaktiv. Tutor:innen und Schüler:innen sehen sich und sprechen miteinander. Beide können auf der digitalen Tafel zeichnen und schreiben. Nach dem Unterricht wird der Inhalt der Unterrichtsstunde in unsere Easy-Tutor-Cloud gelegt, so dass Eltern auf den Lernstoff Zugriff haben und Schüler:innen das Gelernte wiederholen und vertiefen können. Auf diese Weise gelingt uns auch die Qualitätssicherung für unseren Unterricht.
Was ist die Easy-Tutor-Cloud?
Massimo Cancellara: Bei der Easy-Tutor-Cloud handelt es sich um eine Cloudsoftware, die von uns gebaut wurde. Der gesammelte Inhalt des Unterrichts wird dort abgelegt. Schüler:innen haben den Lernstoff so übersichtlich nach Stunden, Einheiten und Thema geordnet und können diese Unterlagen jederzeit erneut einsehen oder downloaden.
In Zukunft wollen wir die Cloud so weiterentwickeln, dass in der Easy-Tutor-Cloud die Inhalte interaktiv neu gestaltet werden können, Tutoren und Tutorinnen beispielsweise zusätzliche Inhalte hinzufügen und die Plattform automatisiert neue Inhalte vorschlägt, die thematisch passen. So kann auch neben der direkten Nachhilfe selbstständig weitergelernt werden.
Wie kann man Nachhilfelehrer:in bei Easy-Tutor werden?
Massimo Cancellara: Wir sind tutorseitig eine geschlossene Plattform. Wer bei uns Nachhilfe geben will, muss einen strengen Bewerbungsprozess absolvieren. Wir evaluieren den Gesamtinhalt der Bewerbung. Wer sich beispielsweise als Mathematiklehrer oder -lehrerin bei uns bewirbt, die letzten sechs Jahre aber Amerikanistik studiert hat, wird bei uns nicht für Mathe-Nachhilfe zugelassen. Auch nicht, wenn er oder sie vielleicht im Abi gute Mathe-Noten hatte.
Erst nach einer Schulungsphase kommen potentielle Tutor:innen bei uns auf die Website. Aber jetzt kommt der entscheidende Punkt: Wir lassen unsere Tutor:innen auf unserer Website nicht alleine. Wir überprüfen, wie viele Schüler:innen buchen, wie viele erneut buchen und welche Bewertungen sie hinterlassen. So können wir die Qualität des Unterrichts auch wirklich bewerten. Denn, nicht automatisch ist der:die mit guter Mathe-Note im Abitur oder im Maschinenbaustudium auch der:die perfekte Lehrer:in und kann den Stoff gut vermitteln. Wir achten darauf, dass unsere Tutoren und Tutorinnen tatsächlich auch gute Lehrkräfte sind und pädagogische Fähigkeiten haben.
Wie ist eure Preisstruktur?
Jessica Contento: Als Neukund:in hat man bei uns zunächst die Möglichkeit, eine kostenlose Probestunde zu buchen. Damit geben wir allen Neukunden die Möglichkeit, Easy-Tutor erst einmal zu testen. Im Nachgang können Eltern entweder Einzelstunden buchen oder ein Drei-, Sechs- oder auch Zwölfmonatspaket. Je nach Paket variiert natürlich auch der Preis. Je größer das Paket, desto günstiger die Nachhilfe.
Eure Gründungsstory: Wie seid ihr dazu gekommen, Easy-Tutor zu gründen?
Jessica Contento: Massimo hat während seines Studiums in München Nachhilfe gegeben und musste dafür zu den Schüler:innen nach Hause fahren. Massimo beschwerte sich oft, wie viel Zeit durch die Fahrten verloren ging und kam so auf die Idee, das Ganze müsste doch auch
online gehen. Er hat dann begonnen, Nachhilfe online zu geben, was zunächst gar nicht so einfach war. Es war ja noch lange vor der Corona-Pandemie und digitaler Unterricht war noch ein Fremdwort. Irgendwann hat er mir von der Idee zu Easy-Tutor erzählt. Zu dieser
Zeit lebte ich in Frankreich und fand die Idee meines Bruders klasse. Als Mutter konnte ich mich mit dem Thema Nachhilfe sofort identifizieren und habe zu Massimo gesagt: “Lass uns gemeinsam gründen!”
Was sind die größten Kostenpunkte beim Aufbau einer Plattform wie Easy-Tutor?
Massimo Cancellara: An erster Stelle steht der Aufbau eines guten IT-Teams. Und genau das ist einer der größten Schmerzpunkte für viele Gründer:innen in der Tech-Branche. Das Recruiting eines guten IT-Teams ist ein sehr wichtiger Baustein und natürlich auch
kostenintensiv.
Ein weiterer Hauptkostenfaktor ist ganz klar der Aufbau einer Brand mit Marketing und allem, was dazu gehört. Bildung ist Trust. Eltern investieren nur in die Bildung ihrer Kinder, weil sie in das Angebot Vertrauen haben. Dieser Trust muss vorher aufgebaut werden. Die
Marke Easy-Tutor aufzubauen, wie sie heute steht, war eine der größten Aufgaben und gleichzeitig das größte, aber auch wichtigste Investment, das wir getätigt haben.
Stimmt ihr der Aussage zu, E-Learning-Anbieter auf englischsprachigen Märkten
hätten, was Finanzierung angeht, Vorteile vor Anbietern auf deutschen Märkten?
Massimo Cancellara: Man muss der Aussage teilweise recht geben. Vor Corona war es in Deutschland eine Mammutaufgabe, Investor:innen für E-Learning-Startups zu gewinnen. Der ganze Bildungsbereich, vor allem im Nachhilfe-Segment, war stark von Dinosauriern
geprägt. Es war also schwierig, überhaupt Gehör zu finden. Ganz unabhängig davon, wie gut das Geschäft bereits gelaufen ist und wie gut die Zahlen aussehen. Dazu kommt, dass Eltern in Deutschland es nicht gewohnt sind, für Bildung zu bezahlen. Die Zahlungsbereitschaft ist
nicht so gegeben wie beispielsweise in England oder in den USA. Dort sind die Menschen es gewohnt, für gute Bildung zu bezahlen. Das hat uns das Leben am Anfang natürlich nicht gerade erleichtert. Aber durch Corona hat sich vieles verändert und Investor:innen haben verstanden, dass die Zukunft der Bildung auch digital sein muss.
Wie ist es euch gelungen, Finanzierung zu erhalten und wer sind eure Investor:innen?
Massimo Cancellara: Wir haben zwei Business Angels, eine VC-Firma namens Bayern Kapital mit Sitz in Landshut und ein Family Office namens K+K1 Investing. Ich war zufällig auf einem Beratertag in München und durfte vor den Investment Managern von Bayern Kapital pitchen. Mit Family Office sind wir über eine M&A-Beratung in Kontakt gekommen, also eine Dienstleistung, die man in Anspruch nehmen kann, wenn man größere Runden laufen möchte.
Nach meiner Beobachtung machen viele Gründer:innen den Fehler, zu schnell in den Fundingprozess zu starten und sich vorher zu wenig damit zu beschäftigen. Man sollte evaluieren, was die Zielgruppe wirklich möchte und wofür sie zu zahlen bereit ist. Letzteres
ist das, was Investor:innen interessiert.
Wir haben uns erstmal darauf konzentriert, den Markteintritt zu schaffen und die richtigen Zahlen auf den Tisch zu legen. In den ersten Jahren haben wir uns gar nicht mit der Investor:innensuche beschäftigt. Wir haben uns voll darauf konzentriert, was unsere Kund:innen möchten und darauf, ein Produkt anzubieten, das die Leute annehmen und bereit sind, Geld dafür auszugeben. Erst vier Jahre nach der Gründung (2017) haben wir den Fundingprozess initiiert. Die drei Finanzierungsrunden, die gelaufen sind, haben alle in den letzten 18 bis 24 Monaten stattgefunden. Davor haben wir uns nur mit dem Markt und unseren Kund:innen beschäftigt.
Kritiker:innen sagen, Präsenznachhilfe vor Ort mit direktem Kontakt sei immer am
effektivsten…
Jessica Contento: Ich würde definitiv nicht sagen, das eine oder andere sei effektiver, weil es auf verschiedene Faktoren ankommt. Jedenfalls kann Nachhilfe in Präsenz vor Ort nie so flexibel sein wie Online-Nachhilfe. Es gibt in der direkten Umgebung keine so große
Auswahl an Tutor:innen. Außerdem muss man schauen, ob es zwischen dem Kind und der:m Tutor:in harmoniert. Deswegen bin ich eine starke Befürworterin von Online-Nachhilfe. Vor allem in der heutigen Zeit, in der Kinder sehr digital unterwegs sind, liegt keine Hürde darin,
Nachhilfe online durchzuführen. Die Kinder haben sich an den Umgang damit bereits gewöhnt.
Massimo Cancellara: Auch, wenn Kinder schüchtern und introvertiert sind, kann es unangenehmer sein, wenn eine Person zu dir nach Hause kommt. Es ist dann deutlich angenehmer, wenn die Person vor dem Bildschirm sitzt. Entsprechend würde ich nicht behaupten, dass Präsenz die bessere Lösung ist. Was effektiver oder nachhaltiger ist, hängt doch ganz davon ab, wie das Kind das Ganze wahrnimmt und akzeptiert. Dass bei Easy-Tutor die Nachhilfe online stattfindet, war nie ein Grund, weswegen Eltern bei uns gekündigt hätten. Das zeigen Auswertungen der Daten auf unserer Website ganz klar.
Was waren die größten Hindernisse, die ihr zu überwinden hattet?
Massimo Cancellara: Als wir 2017 gegründet haben, herrschte teilweise eine Abwehrhaltung gegen Online-Unterricht. Ich erinnere mich noch, als ich einmal eine Mutter am Telefon hatte, die Mathematik-Nachhilfe für ihre Tochter suchte und auf unser Angebot aufmerksam
wurde. Am Ende des Gesprächs fragte die Mutter, ob die:der Tutor:in zu ihr nach Hause kommen würde. Ich habe ihr gesagt, dass wir eine Online-Nachhilfe sind, was auch groß auf unserer Startseite zu lesen war. Ihre Reaktion war dann: “Alles! Nur kein online!”.
In den ersten Monaten haben wir uns die Frage gestellt, wie wir es schaffen können, die Akzeptanz für Online-Nachhilfe zu erhöhen. Das Argument der wegfallenden Fahrwege zählte für die Eltern nicht unbedingt, denn, wenn die:der Tutor:in nach Hause kommt, hat das
Kind ja keine Fahrtwege. Uns wurde bewusst, wir müssen eine Plattform aufbauen, die deutlich mehr Vorteile als nur die Vermeidung von Fahrwegen bietet. Das Ergebnis unserer Überlegungen war das Full Management System, das alle Prozesse optimiert und zentral
verwaltet: Erstkontakt, Terminverwaltung, Kalender-Synchronisierung, Easy-Tutor-Cloud und Kommunikation mit der:dem Tutor:in. Alles in allem war das Full Management System der Schlüsselfaktor, der uns zum Erfolg verholfen hat.
Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Massimo Cancellara: Wir wollen Ende des Jahres erstmals ins Ausland expandieren. Außerdem wird unser Team nahezu verdoppelt. Zusätzlich soll die Markenbekanntheit in Deutschland weiter gesteigert werden. Das sind die Schritte, die uns in den nächsten zwölf
Monaten beschäftigen werden.