Wer E-Learning einsetzen möchte, muss wissen, wie Multimediaelemente am besten eingesetzt werden. Denn Aufbau, Farben, Genauigkeit beim Content und andere Details der Kurseinheiten beeinflussen den Lernerfolg stark.
In einem Artikel des Journals E-Learning Guilds Learning Solutions hat die Autorin Dr. Ruth Clark im Jahr 2002 die Ergebnisse verschiedener Studien zu diesem Thema zusammengefasst und sechs Prinzipien beschrieben, die für erfolgreiches Lernen mit Multimedia ausschlaggebend sind.
Wer einen E-Learning-Kurs entwickelt, muss verstehen, wie das Gedächtnis funktioniert und welche Methoden es gibt, die Lernfähigkeit zu beeinflussen.
Was ist E-Learning?
E-Learning ist die Unterstützung von Lernmethoden und Lernprozessen durch digitale Medien. E-Learning soll theoretisches und praktisches Wissen für persönliche Interessen, Schule oder Hochschule oder den beruflichen Alltag aufbauen.
Die drei Kernelemente von Online-Lernen sind
- Unterrichtsmethoden
- Unterrichtsmedien und darin
- Medienelemente
Die Forschung hat keinen auffälligen Vorteil von Lernen im Klassenraum gegeüber Online-Lernen identifiziert. Weniger die Technologie oder ihre Anwendung sind verantwortlich für erfolgreiches E-Learning. Stattdessen kommt es vor allem auf das Design eines Online-Lernangebots sowie das Kursmaterial und die Art und Weise, wie man beides einsetzt, an. Dabei gilt:
Im Mittelpunkt steht der Lernende.
Unterrichtsstunden sollen so gestaltet werden, dass sie dem menschlichen Lernen entgegenkommen. Dieser Prozess ist unabhängig von den beteiligten Medien.
Methode
Die Lernperson muss Techniken anwenden, die Teilnehmern helfen, neue Information so zu verarbeiten, dass sie zum Lernerfolg führt. Unterrichtsmethoden können Übungsaufgaben, Simulationen und Analogien beinhalten.
Unterrichtsmedien
Zu den Lieferanten der Unterrichtsmethoden gehören angewandte Medien wie Computer, Arbeitsbücher und sogar Ausbilder*innen, Trainer*innen oder Lehrer*innen.
Medienelemente
Medien bestehen aus Texten, Grafiken, Videos und Audio, um Inhalte zu vermitteln.
6 Prinzipien für effektives E-Learning: Was funktioniert und Warum
Richard Mayer, Professor für Psychologie an der amerikanischen University of California wollte mit Experimenten herausfinden, wie man Audio, Text und Grafiken optimal für Multimedia und Online-Kurse einsetzen kann. Seine Ergebnisse können im Hinblick auf Anwendung und Platzierung von Text und Grafiken relevant sein und sollen als Leitfaden gelten.
1. Das Multimediaprinzip: Hinzufügen von Grafiken zu Text verbessert das Lernen
Grafiken können Bilder, Strichzeichnungen, Diagramme und Fotos sowie bewegte Grafiken, Animationen und Videos sein. Fotos, die der Unterhaltung dienen, verringern dagegen den Lernerfolg.
Was die Psychologie sagt:
Text in Kombination mit bildlicher Information fördert die Aufnahme von Wissen in höherem Maß als nur Text alleine. Grafiken mit Text sind zur Veranschaulichung also besonders lernwirksam. Wichtig ist es, Grafiken zu benutzen, die mit dem Text und dem Lernziel übereinstimmen.
Anwendung:
Die Auswahl der Grafiken muss auf die Inhalte des Unterrichts abgestimmt sein. Man unterscheidet zwischen fünf Inhaltstypen: Fakten, Konzepte, Prozesse, Verfahren und Prinzipien.
2. Das Kontiguitätsprinzip: Text direkt neben Grafiken verbessern das Lernen.
Das Kontiguitätsprinzip behandelt das Platzieren von Text und Grafiken auf dem Bildschirm. Text und Grafiken sollen nebeneinander und nahe genug zueinanderstehen, sodass sie gleichzeitig gesehen werden können.
Untersuchungen haben ergeben, wenn Text neben Grafiken erscheint, steigt der Lernerfolg am Monitor um durchschnittlich 68 %.
Was die Psychologie sagt:
Erscheinen Worte und Bilder getrennt voneinander, müssen Lernende zusätzliche kognitive Ressourcen aufwenden, um beides zu verbinden. Wenn im Lernmaterial Wörter und Grafiken zusammenhängend platziert werden, erfolgt die Integration automatisch und der Lernende kann seine Ressourcen zum Lernen verwenden.
Anwendung:
Beim Scrollen kann es oft passieren, dass das Kontiguitätsprinzip verletzt wird und Grafiken nicht mit dem Text erscheinen. Um das zu verhindern, kann man kleine Grafiken mit zugehörigem Text Seite an Seite platzieren.
3. Das Modalitätsprinzip: Audio in Verbindung mit Grafiken verbessert das Lernen
Audiokommentare können den Lernerfolg sichtbar verbessern. Das ist der Fall, wenn eine Animation oder ein anderes visuelles Element von gesprochenem Kommentar begleitet wird. In einer Studie wurde Animation mit Text erklärt und vergleichsweise mit Audio. Die audiounterstützte Version verbesserte den Lernerfolg um ganze 80 %.
Was die Psychologie sagt:
Das Arbeitsgedächtnis hat zwei Unterspeicherbereiche: einen für visuelle Information und einen für phonetische Information. Indem beide Bereiche gleichzeitig genutzt werden, kann die Kapazität der Unterspeicherbereiche erweitert werden.
Anwendung:
Gesprochenes Audio sollten dann verwendet werden, wenn eine Überlastung wahrscheinlich ist. Bei einer Animation für eine Softwareanwendung müssen Lernende beispielsweise ihre visuellen Ressourcen auf die Animation konzentrieren. Müssen sie gleichzeitig Text lesen, kommt es zu einer Überlastung. In diesem Fall empfiehlt sich eine Audiobeschreibung ohne Text.
4. Das Redundanzprinzip: Grafiken mit Audio und Text zu erklären, beeinflussen das Lernen negativ
Wenn ein Text zur Erklärung einer Grafik oder eines Diagramms erscheint und zusätzlich Audio verlesen wird, verringert sich der Lernerfolg beim Lernenden. Drei Elemente, also die Grafik, das Audio und ein zusätzlicher Text sind zuviel für das Gehirn.
Was die Psychologie sagt:
Wenn eine Bildschirmgrafik gleichzeitig mit Text und Ton erklärt wird, kann eine Überreizung des visuellen und des auditorischen Arbeitsgedächtnisses auftreten.
Anwendung:
Damit das Gedächtnis nicht überlastet wird, ist es ratsam, die Audioerzählung von Text zu vermeiden. Das gilt besonders bei Animationen, bei denen Lernende keine Kontrolle über das Tempo haben oder beim Lernen von komplexem und neuem Material.
Ist hingegen keine Animation, Bild oder Grafik vorhanden, kann das Hörformat in Kombination mit dem Text das Lernen fördern.
5. Das Kohärenzprinzip: unnötige Bilder, Texte und Ton können dem Lernen schaden
Bei dem Versuch, E-Learning interessanter zu gestalten, verwenden einige Designer den sogenannte Las-Vegas-Ansatz. Glanz und Glitzer und dramatische Effekte wie Vignetten in Video oder Text, Hintergrundmusik oder Film-Charaktere werden benutzt, um den Unterhaltungswert eines Webinars oder Lernprogrammes zu steigern.
Was die Psychologie sagt:
In einer Studie wurde deutlich, warum verführerische Details das Lernen hemmen. Im Experiment bekamen Studenten eine kurze, klare Abhandlung des Lernmaterials, während andere Lernmaterial und Information bekamen, das mit Nebensächlichem ‚geschmückt‘ war. Bei der ersten Gruppe konnte ein Anstieg im Lernerfolg von 69 % verzeichnet werden.
Mayer fand heraus, dass zugefügte externe Materialien Schaden anrichten durch:
- Ablenkung von wichtigen Unterrichtspunkten
- Störung der Organisationsinformation eines Lernenden
- Aktivierung irrelevanten Vorwissens
- Anwendung:
Das Kohärenzprinzip beschreibt, dass grundsätzlich „weniger mehr ist“, wenn das Hauptziel Lernen ist. Visuelles sowie Texte, die zur Erklärung eines Themas nicht relevant sind, sollten vermieden werden. Ebenso wenig sollten Erklärungen mit Musik hinterlegt werden. Ein Text ohne Umschweife, genau auf den Punkt ist grundsätzlich besser als ein langer, umfangreicher und ausgeschmückter Text.
Für Trainer und E-Learning Designer ist es wichtig, zwischen Unterhaltung und Lernen zu unterscheiden. Mayer unterscheidet zwischen kognitivem Interesse und Materialien, die das Verständnis fördern, und emotionalem Interesse und Fremd-Content, der nachweislich das Lernen hemmt. Ziel sollte also sein, während der Prozesse, bei denen kognitives Denken erforderlich ist, kognitives Interesse zu fördern und emotionales Interesse zu vermeiden.
6. Das Personalisierungsprinzip: guter Umgangston und Pädagogik zur Steigerung des Lernerfolgs
Studien haben gezeigt, dass Lernen besser funktioniert, wenn der Lernende sozial engagiert ist. Das kann in einer Unterrichtsstunde über verbale Konversation oder informell durch einen sogenannten Lernagenten online geschehen. Mayer hat herausgefunden, dass auch die Ansprache mit Du und Ich im Gegensatz zu einer förmlicheren Ansprache den Lernerfolg steigert. Der Einsatz eines Lernagenten, egal ob eine Person oder ein fiktionaler Charakter, resultiert ebenfalls in größerem Lernerfolg. Einige Computer E-Learning Programme versuchen Lernagenten so realistisch wie möglich zu gestalten. Laut Mayers Research macht es jedoch keinen Unterschied, ob der Lernagent ein Cartoon-Charakter oder ein Mensch ist. Die wichtigsten Punkte beim Personalisierungsprinzip.
- Das Aussehen des Lernagenten (ob menschlich oder nicht) spielt keine Rolle.
- Bessere Lernerfolge bei Audio-Anleitung gegenüber Text.
- Lockerer Unterhaltungsstil, weniger formell.
Der Lehrer muss nicht visuell erscheinen, nur seine Stimme verhilft zu besseren Erfolgen im Lernen.
Was die Psychologie sagt:
Lernen basiert auf dem Engagement des Lernenden mit dem Inhalt. Sprache stimuliert unbewusst gesellschaftliche Konventionen, egal ob es sich um einen fiktionalen oder echten Kommunikationspartner handelt. Im verbalen Austausch werden wir zum Zuhören und Antworten angeregt. Das erfordert Aufmerksamkeit. Auch E-Learning kann als Austausch mit einem sozialen Partner verstanden werden, auch wenn dieser nicht real ist.
Anwendung:
Für ein effektives E-Learning Drehbuch verwenden Sie am besten die erste und zweite Person („Ich/wir“ und „Du“). Die physische Erscheinung des Lernagenten ist weniger wichtig, er muss jedoch eine leitende und lehrende Rolle einnehmen.
Fazit
Unterrichtsmedien wie Grafiken, Text und Audio sind wichtige Komponenten für erfolgreiches E-Learning. Aber nicht jedes Medium kann mit der gleichen Wirksamkeit Inhalte vermitteln. Die hier beschriebenen Prinzipien berücksichtigen die Limits und Stärken unseres Gedächtnisses und steigern den Lernerfolg. Die sechs Medienprinzipien sollen als Grundlage für E-Learning-Programme benutzt werden, die auf Grafiken, Text und Audio basieren. Wer die Forschungsergebnisse und die psychologischen Hintergründe kennt und die Prinzipien versteht, kann sie erfolgreich auf seine E-Learning-Kurse und Webinare anwenden.
Quelle: Ruth Clark: Six principles of Effective e-Learning. What Works and Why